3D-Druck für KMU: Prototypen & Kleinserien
Vielleicht kennst du das aus deinem Betrieb: Jemand hat eine clevere Idee für eine kleine Vorrichtung, ein neues Gehäuse oder ein Hilfstool für die Montage – alle sind begeistert, man holt eine Offerte ein, und dann verschwindet die Idee monatelang in der Schublade. Werkzeugbau ist zu teuer, Frästeile brauchen Wochen, und intern hat niemand Zeit für „so ein kleines Projekt“.
Damit bist du nicht allein. KMU machen in der Schweiz über 99 % der Unternehmen aus und stellen rund zwei Drittel der Arbeitsplätze – gleichzeitig kämpfen viele Betriebe mit knappen Ressourcen und hohem Termindruck (kmu.admin.ch). Gerade in diesem Umfeld kann 3D-Druck eine Lücke schliessen: Prototypen, Vorrichtungen und Kleinserien werden innert Tagen statt Wochen real, ohne dass du dich sofort auf teure Werkzeuge festlegen musst.
Wir bei 33d.ch arbeiten täglich mit Schweizer KMU, die genau vor dieser Entscheidung stehen: Lohnt sich 3D-Druck für unser Teil wirklich? In diesem Beitrag zeigen wir dir praxisnah, wofür sich 3D-Druck im KMU-Umfeld eignet, wie ein typisches Projekt abläuft und welche Stolpersteine du dir sparen kannst – basierend auf dem, was bei uns im Alltag funktioniert (und was wir unterwegs selbst gelernt haben).
Warum 3D-Druck für KMU so gut passt
3D-Druck ersetzt nicht jede Fräsmaschine und keinen Spritzguss. Aber er spielt seine Stärken genau dort aus, wo KMU sonst oft zwischen Stuhl und Bank landen:
- Kleine Stückzahlen: 1–200 Teile, häufig in mehreren Iterationen.
- Unsicheres Design: Geometrie kann sich noch ändern, Feedback aus dem Feld ist erwünscht.
- Kurze Time-to-Market: Wochenlange Werkzeuglieferzeiten passen nicht zum Projektplan.
- Begrenztes Budget: Investitionen in Werkzeuge sollen erst kommen, wenn das Produkt „gezogen“ hat.
Für genau diese Situationen nutzen wir 3D-Druck als „Brücke“ zwischen Idee und Serienwerkzeug: Teile können getestet, angepasst und in Kleinserien eingesetzt werden, ohne dass du dich frühzeitig festnagelst.
Vergleich: klassischer Weg vs. 3D-Druck
| Thema | Klassische Fertigung (Fräsen / Spritzguss) | 3D-Druck mit Dienstleister |
|---|---|---|
| Initiale Kosten | Werkzeugkosten, Rüstkosten, Mindestlosgrössen | Kein Werkzeug, Kosten pro Teil / Baujob |
| Lieferzeit Prototyp | oft 3–6 Wochen | typisch 2–7 Arbeitstage (je nach Verfahren) |
| Designänderungen | Werkzeug anpassen, erneute Kosten und Zeit | CAD anpassen, neu drucken – kein neues Werkzeug |
| Kleinserien | lohnt sich erst ab höheren Stückzahlen | ideal für 20–500 Stück, danach ggf. Übergang zu Spritzguss |
Technologien & Materialien – nur das, was du wissen musst
Im Markt gibt es viele Abkürzungen und Verfahren. Für dich als KMU ist vor allem wichtig: Welches Verfahren passt zu deinem Einsatz und Budget? Wir konzentrieren uns hier auf die Technologien, die wir für Prototypen und Kleinserien am häufigsten empfehlen.
FDM: der „Schweizer Taschenmesser“-Druck
Beim Fused Deposition Modeling (FDM) wird ein Kunststoff-Filament geschmolzen und Schicht für Schicht nach einem CAD-Modell aufgebaut. Die Technologie ist weit verbreitet, gut verstanden und kann mit einer grossen Bandbreite an Materialien arbeiten – von einfachen PLA-Prototypen bis zu technischen Kunststoffen (Protolabs Network; Xometry Pro).
FDM nutzen wir vor allem, wenn
- du schnell und kostengünstig ein Funktionsmuster brauchst,
- die Optik „gut, aber nicht Hochglanz“ sein darf,
- du Vorrichtungen, Halter oder Hilfswerkzeuge für die Produktion suchst.
SLA, SLS & MJF: wenn es feiner oder robuster sein soll
SLA (Stereolithografie) arbeitet mit flüssigen Harzen und einem Laser. Vorteil: sehr feine Details und glatte Oberflächen, ideal für Designmuster oder Bauteile mit hohen optischen Anforderungen (Formlabs).
SLS (Selective Laser Sintering) und MJF (Multi Jet Fusion) verarbeiten Kunststoffpulver (typischerweise PA12). Die Teile sind robust, formstabil und eignen sich sehr gut für funktionale Endbauteile und Kleinserien (Formlabs; ABCorp).
Material-Überblick für den KMU-Alltag
In der Praxis reichen für viele Projekte wenige Standardmaterialien. Vereinfach gesagt:
| Material | Typische Stärke | Typische Anwendungen |
|---|---|---|
| PLA (FDM) | Sehr gut druckbar, formstabil, begrenzte Temperaturbeständigkeit (ca. bis 50–60 °C, je nach Type) (burg-halle.de) | Sichtmodelle, Funktionsprototypen im Büro, Montagesimulationen |
| PETG (FDM) | Robuster als PLA, zäher, bessere Temperaturbeständigkeit | einfache Vorrichtungen, Halter, Teile im Maschinenumfeld |
| TPU (FDM) | Flexibel, gummiähnlich | Dämpfer, Schutzkappen, flexible Einsätze |
| PA12 (SLS/MJF) | Hohe Festigkeit, gute Chemikalienbeständigkeit, geringe Wasseraufnahme – bewährt für funktionale Teile (ABCorp; BCN3D Technologies) | Seriennahe Teile, robuste Gehäuse, Vorrichtungen, Clips und Schnapphaken |
Wenn du tiefer in das Thema Materialien einsteigen möchtest, lohnt sich auch ein fundiertes Video zur Materialwahl. Ein gutes englischsprachiges Beispiel ist dieses Übersichtsvideo zu PLA, PETG, ABS, TPU & Co.: „When to use PLA, PETG, ABS, TPU, Polycarbonate, Nylon etc.“

Quelle: 3d-druck-berlin.com
Vom CAD-Modell zum ersten Musterteil: Genau hier verkürzt 3D-Druck im KMU-Alltag die Zeitspanne von der Idee bis zum Test am realen Bauteil.
So läuft ein 3D-Druck-Projekt mit einem KMU typischerweise ab
Viele Projekte bei 33d.ch folgen einem ähnlichen Muster. Der grobe Ablauf hilft dir, intern zu klären, was du schon liefern kannst und wo du noch Unterstützung brauchst.
1. Anfrage: Problem statt nur Geometrie beschreiben
Am einfachsten wird es, wenn du uns nicht nur eine STEP- oder STL-Datei schickst, sondern kurz erklärst, was das Teil im Alltag leisten soll:
- Wo wird es eingesetzt (Maschine, Labor, Aussenbereich)?
- Welche Temperaturen, Chemikalien oder Kräfte wirken?
- Wie viele Teile brauchst du in den nächsten 3–12 Monaten?
- Ist die Geometrie bereits fix oder erwartest du Änderungen?
Anhand dieser Infos entscheiden wir mit dir, ob FDM mit einem robusten Filament reicht oder ob ein industrielles Verfahren wie MJF/SLS mit PA12 sinnvoller ist (ABCorp; BCN3D Technologies).
2. Datencheck & Design-Feinschliff
Im nächsten Schritt prüfen wir die Daten. Typische Punkte, die wir immer wieder sehen:
- Wände zu dünn (z. B. < 1 mm bei belasteten Bereichen).
- Schraublöcher ohne Spiel – im 3D-Druck brauchst du häufig etwas mehr Luft als in der Fräszeichnung.
- Scharfe Innenkanten, die den Druck anfälliger machen.
Ganz ehrlich: Das ist uns am Anfang auch selbst passiert. Erst mit mehreren Projekten lernt man, wo man besser 0.2 mm dazu gibt oder eine Fase einbaut. Diese Lernkurve nehmen wir unseren Kunden inzwischen ab, indem wir aktiv Feedback zur Konstruktion geben.
3. Technologie- und Materialwahl
Gemeinsam legen wir fest, welches Verfahren und welches Material am meisten Sinn macht. Ein typischer Mix aus unserem Alltag:
- PLA / PETG (FDM): für erste Funktionsmuster, einfache Gehäuse, Prüflehren im Büroumfeld (burg-halle.de).
- Technische FDM-Materialien: z. B. glasfaserverstärkte Filamente für steife Vorrichtungen in der Fertigung (BCN3D Technologies).
- PA12 (MJF/SLS): für robuste Kleinserien, Clips, Schnapphaken und Gehäuse, die im Feld lange halten müssen (ABCorp).
4. Musterteile & Iterationen
Sind die Eckdaten klar, drucken wir meist zuerst 1–5 Musterteile. Online-Dienstleister wie i.materialise oder Protolabs geben für viele Kunststoffe Produktionszeiten von wenigen Arbeitstagen an (i.materialise.com; Protolabs Network). In unserer Praxis heisst das häufig:
- Woche 1: Erstes Muster, kurzer Test an der Maschine oder im Labor.
- Woche 2: Geometrie anpassen (z. B. Griff, Radien, Toleranzen), zweite Iteration.
- Woche 3: Freigabe für Kleinserie.
Die realen Zeiten hängen natürlich von Material, Grösse und Auslastung ab – aber statt „wir warten auf das Werkzeug“ hast du im Idealfall nach zwei, drei Wochen ein Teil, das im Alltag funktioniert.
5. Kleinserie & Wiederholaufträge
Wenn das Muster überzeugt, skalieren wir auf die gewünschte Stückzahl. Industrielle Beispiele zeigen, dass 3D-Druck für Kleinserien von Dutzenden bis mehreren Hundert Teilen wirtschaftlich eingesetzt werden kann (BCN3D Technologies; ABCorp).
In der Praxis vereinbaren wir mit vielen KMU fixe Losgrössen (z. B. 50, 100 oder 250 Stück) und definieren, wie schnell nachbestellt werden kann. Die CAD-Daten bleiben digital – wenn sich im Feld zeigt, dass ein Detail noch nicht optimal ist, passt man es an und die nächste Charge kommt bereits mit Update.

Quelle: 3d-druck-berlin.com
Vom Problem in der Produktion über den CAD-Entwurf bis zum fertigen Teil in der Kleinserie – 3D-Druck verkürzt diesen Weg deutlich.
Einsatzbeispiele aus der Praxis
Damit das Ganze nicht theoretisch bleibt, hier zwei anonymisierte Beispiele aus unserem Alltag mit Schweizer KMU.
Fallbeispiel 1: Montagevorrichtung für einen Maschinenbauer (Zentralschweiz)
Ein mittelständischer Maschinenbauer kam mit einem Problem zu uns: In der Montage wurden empfindliche Aluminiumprofile jeweils „nach Gefühl“ positioniert. Das führte zu Versatz, Nacharbeit und Diskussionen zwischen Schichtteams.
- Ausgangslage: 12 Arbeitsstationen, ölhaltige Umgebung, gelegentliche Stösse. Bisherige Lösung: gefräste Vorrichtungen mit rund vier Wochen Lieferzeit und hohen Einzelkosten.
- Unsere Lösung: Wir haben zunächst eine FDM-Vorrichtung aus PETG konstruiert und gedruckt. Nach zwei Montagetests haben wir Auflageflächen verstärkt, Griffe ergonomisch angepasst und Einpressmuttern vorgesehen. Die zweite Iteration war stabil genug für den Dauereinsatz, also wurden alle 12 Vorrichtungen innerhalb weniger Tage gefertigt.
- Ergebnis: Deutlich weniger Nacharbeit, reproduzierbare Montagezeiten und spürbar weniger Stress an der Linie. Für das Unternehmen fielen keine Werkzeugkosten an, und Änderungen im laufenden Betrieb bleiben möglich.
Solche 3D-gedruckten Vorrichtungen und Hilfswerkzeuge können laut verschiedenen Herstellern die Durchlaufzeiten um 40–90 % und die Kosten um 70–90 % reduzieren – je nach Komplexität und Vergleichsbasis (UltiMaker; Zmorph S.A.; BCN3D Technologies).
Fallbeispiel 2: Kleinserie für ein Sensorgehäuse (Grossraum Zürich)
Ein Technologie-Start-up wollte ein IoT-Sensorgehäuse in mehreren Pilotprojekten testen. Das Design war noch nicht final, Kundenfeedback sollte direkt in die nächste Version einfliessen.
- Ausgangslage: Bedarf von 80–150 Gehäusen, robuste Mechanik, saubere Optik, begrenztes Budget – ein Spritzgusswerkzeug wäre zu früh gewesen.
- Unsere Lösung: Zuerst haben wir SLA-Muster mit sehr glatter Oberfläche für Design- und Haptiktests umgesetzt. Danach sind wir für die Kleinserie auf ein MJF-PA12-Material gewechselt, um robuste Endteile zu erhalten, wie sie auch in vielen industriellen Anwendungen beschrieben werden (ABCorp). Die erste Serie von 100 Gehäusen war nach wenigen Wochen im Einsatz.
- Ergebnis: Das Start-up konnte reale Felddaten mit einem professionell wirkenden Produkt sammeln, ohne sich bereits im ersten Jahr auf ein Spritzgusswerkzeug festzulegen. Zwischen den Pilotserien wurden mehrere Details angepasst (Kabeldurchführung, Rastnasen), ohne dass zusätzliche Werkzeugkosten entstanden.
Typische Stolpersteine – und wie wir sie heute vermeiden
Viele Fehler im 3D-Druck sieht man erst, wenn das Teil in der Hand liegt. Ein paar Klassiker aus unserer Werkstatt:
| Problem | Typische Ursache | Was wir heute tun |
|---|---|---|
| Schrauben passen nicht | Bohrungen 1:1 nach Normdurchmesser übernommen | Je nach Verfahren 0.1–0.3 mm Spiel pro Seite einplanen, Teststück mit Schraubloch drucken |
| Clips oder Haken brechen | Zu scharfe Innenradien, zu geringe Wandstärke | Mindestradien definieren, Hebelarme verkürzen, ggf. auf PA12 oder TPU wechseln |
| Teil verzieht sich | Ungünstige Orientierung, grosse flache Flächen beim FDM | Orientierung anpassen, Bauteil „aufstellen“, bei kritischen Teilen auf SLS/MJF gehen |
| Oberfläche wirkt „billig“ | Falsches Verfahren für sichtbare Teile | Sichtseite definieren, SLA oder feinen MJF/SLS-Druck wählen, gezielte Nachbearbeitung einplanen |
Viele dieser Punkte lassen sich in einem kurzen technischen Gespräch klären. Bei 33d.ch haben wir uns angewöhnt, kritische Details lieber einmal mehr zu hinterfragen, bevor wir mit einer grösseren Serie starten – das spart allen Beteiligten Nerven.
Checkliste: So holst du das Maximum aus deinem 3D-Druck-Projekt
Wenn du ein neues Projekt startest, kannst du diese Punkte als kurze Checkliste verwenden:
- ✅ Problem klar? Nicht nur das Teil beschreiben, sondern den Einsatz und die Anforderung.
- ✅ Zielmenge definiert? Grobe Stückzahlen für die nächsten 3–12 Monate abschätzen.
- ✅ Umgebung bekannt? Temperatur, Chemikalien, Witterung, mechanische Belastungen.
- ✅ Kritische Masseflächen markiert? Z. B. Dichtflächen, Passungen, Sichtbereiche.
- ✅ Iterationen eingeplant? Realistisch mit 1–3 Schleifen rechnen, statt „gleich perfekt“.
- ✅ Daten sauber? STEP/STL ohne Lücken, Wandstärken kontrolliert, Gewinde/Einpressmuttern überlegt.
- ✅ Interne Kommunikation geklärt? Wer entscheidet über Freigaben, wer testet das Teil im Alltag?
Das bleibt hängen:
- 3D-Druck ist für KMU kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um Prototypen, Vorrichtungen und Kleinserien schneller und flexibler umzusetzen.
- Die grössten Hebel liegen bei Zeit und Risiko: Statt früh in Werkzeuge zu investieren, können Designs iterativ verbessert werden.
- Mit den passenden Verfahren und Materialien – von FDM mit PLA/PETG bis zu MJF/SLS mit PA12 – lassen sich seriennahe Teile herstellen.
- Viele typische Probleme (Toleranzen, Clips, Verzug) sind lösbar, wenn man sie früh adressiert und auf Erfahrungen aus der Praxis zurückgreift.
- Ein guter 3D-Druck-Partner versteht nicht nur Maschinen, sondern auch deinen Prozess als KMU – und denkt mit dir in Iterationen statt in Einmal-Projekten.
Passt gut dazu (interne Link-Ideen)
- 3D-Druck Toleranzen verstehen
- Filament richtig lagern
- Designregeln für 3D-gedruckte Vorrichtungen
- Vergleich von 3D-Druck-Technologien für KMU
- Kostenkalkulation für 3D-Druck-Kleinserien