KI-3D-Druck Hyperschall-Precooler für Spaceplanes
Das Bauteil, das LEAP 71 und Farsoon präsentierten, ist ein 1,5 Meter hoher Hyperschall-Precooler. Dieser wurde von der KI Noyron berechnet und auf einem großformatigen Laser-Pulverbett-System von Farsoon in einem Stück gefertigt. Ziel ist ein Schlüsselbauteil für luftatmende Triebwerke, die ein Raumflugzeug in einem einzigen Durchgang von der Startbahn in den Orbit bringen sollen. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung, die Belastbarkeit der Aussagen und die Bedeutung für Entwickler, Ingenieure und Tech-Interessierte.
Einleitung
Im Kern handelt es sich um einen Wärmetauscher für Hyperschall-Triebwerke, der die extrem heiße einströmende Luft in Sekundenbruchteilen herunterkühlen soll, bevor sie in den Motor gelangt. Solche Bauteile werden meist als Precooler oder als Teil eines Hypersonic Precooled Combined Cycle Engine (HPCCE) beschrieben. Dies ist ein kombiniertes Triebwerk, das zunächst Luft als Oxidator nutzt und später wie eine Rakete mit Flüssigsauerstoff arbeitet.
Bei Hyperschallgeschwindigkeit, ab etwa Mach 5, erhitzt sich die einströmende Luft durch Kompression leicht auf über 1.000 Grad Celsius. Dies bringt klassische Turbomaschinen und viele Werkstoffe an ihre Grenzen. Ein sehr leichter, extrem leistungsfähiger Precooler kann die Luft schnell herunterkühlen und so leichtere Triebwerke und Hüllen ermöglichen. Das Konzept wurde beispielsweise über viele Jahre im SABRE-Programm von Reaction Engines verfolgt.
Hintergrund
LEAP 71 ist ein Unternehmen aus Dubai, das sich als Pionier des Computational Engineering versteht. Dabei generieren KI-Modelle komplette Bauteile und Maschinen aus physikalischen Regeln, Produktionsanforderungen und Testdaten. Herzstück ist Noyron, ein großes Computational-Engineering-Modell, das laut Unternehmen eigenständig Geometrien erzeugt, die direkt produzierbar sind, ohne dass sie zuvor von Hand in CAD gezeichnet werden.
Farsoon Technologies ist ein Hersteller industrieller Laser-Pulverbett-Fusionsanlagen (LPBF) mit Hauptsitz in China. Das Unternehmen bietet unter anderem die großformatige FS811M-Plattform mit einem Bauraum von 840 x 840 x 960 Millimetern und bis zu zwölf Lasern an. Die Variante FS811M-U-8, auf der der Precooler gefertigt wurde, gehört zu den größten kommerziell verfügbaren Metall-LPBF-Systemen und ist auf sehr hohe Bauteile und große Serien ausgelegt.

Quelle: additive.industrie.de
Digitale 3D-Modelle veranschaulichen den Designprozess für komplexe Bauteile, die mittels 3D-Druck gefertigt werden – ein Kernaspekt des KI-gestützten Designs.
Aktueller Stand
Am 12. November 2025 haben LEAP 71 und Farsoon öffentlich gemacht, dass sie gemeinsam ein 1,5 Meter hohes Hyperschall-Precooler-Konzept entwickelt und auf der FS811M-U-8 Metall-3D-Druckanlage gefertigt haben. Das Bauteil wird als Schlüsselkomponente für luftatmende Trägerraketen beschrieben, die von einer Startbahn aus in einem Schritt bis in den Orbit aufsteigen könnten.
Zwischen dem 12. und 17. November 2025 haben mehrere Fachmedien wie TCT Magazine, All3DP, Metal AM und 3D Printing Industry über das Projekt berichtet und die Kombination aus KI-basierter Konstruktion und großformatiger Metall-AM hervorgehoben. Alle Quellen bestätigen Höhe, Fertigungsprozess und die Rolle von Noyron bei der Geometrieerzeugung.
Nach Angaben von LEAP 71 kommt in Noyron ein sogenannter fractal folding algorithmus zum Einsatz, der die innere Struktur des Wärmetauschers so faltet, dass möglichst viel Oberfläche für den Wärmeübergang entsteht, ohne den Luftstrom unnötig zu bremsen. TCT Magazine beschreibt, dass die verschlungene Struktur die sehr heiße Luft von einem flüssigwasserstoffgekühlten Bereich trennt und einen extrem kompakten Wärmetauscher ermöglicht.
Die Hersteller betonen ausdrücklich, dass es sich um ein Konzeptbauteil handelt, das auf der Formnext 2025 in Frankfurt am Farsoon-Stand gezeigt wird, um die Machbarkeit solcher Strukturen in dieser Größenordnung zu demonstrieren. Konkrete Kennzahlen zu Masse, Wärmestrom, Druckverlusten oder Betriebsbedingungen wurden in den öffentlichen Texten bislang nicht veröffentlicht.
Analyse & Kontext
Auf der Seite von LEAP 71 ist der Precooler vor allem ein Schaufenster für Computational Engineering: Das Unternehmen beschreibt Noyron als Modell, das aus physikalischen Regeln, Produktionsrestriktionen und Testdaten heraus eigenständig eine fertigungsgerechte Geometrie erzeugt, ohne dass jemand das Bauteil klassisch in CAD modelliert. In einem begleitenden Artikel hebt VoxelMatters hervor, dass dieselbe Softwarefamilie bereits komplexe Raketenmotor-Komponenten generiert hat und LEAP 71 sich eher als Software- und Modellanbieter denn als klassischer Triebwerkshersteller versteht.
Farsoon nutzt das Projekt, um zu zeigen, dass großformatige Metall-LPBF-Systeme heute Bauteile mit mehr als einem Meter Höhe und sehr komplexen Innenkanälen in einem Stück fertigen können, was klassische Fertigung nur mit vielen Einzelteilen und Fügestellen leisten könnte. Weniger Schweißnähte und Dichtstellen bedeuten weniger potenzielle Schwachstellen – ein wichtiger Punkt in Hyperschall-Anwendungen, wo thermische Spannungen und Vibrationen extrem sind.
Im größeren Kontext knüpft der Precooler an eine lange Entwicklungslinie an: Reaktionsgekühlte und vorkühlende Triebwerke wie das SABRE-Konzept sollten ebenfalls ein Raumflugzeug mit einem einzigen Start in den Orbit bringen, stützten sich aber auf sehr filigrane, schwer herstellbare Wärmetauscherstrukturen. Reaction Engines konnte zwar am Boden zeigen, dass die eigenen Precooler-Labormuster Luftströme mit Mach-5-Temperaturen extrem schnell herunterkühlen können, hat aber trotz jahrelanger Entwicklung kein flugfähiges System in Betrieb gebracht. Das zeigt, wie anspruchsvoll die Umsetzung ist.
Für Medien und Messeauftritte ist das Projekt ideal: Die spektakuläre Geometrie liefert starke Bilder, und die Kombination aus KI, 3D-Druck und Raumfahrt berührt gleich mehrere Zukunftsthemen, über die Fachportale ausführlich berichten. Gleichzeitig steckt dahinter eine ernsthafte technische Agenda: sehr kompakte, leichte Wärmetauscher gelten in Studien als zentrale Voraussetzung, um Hyperschall-Triebwerke effizient, wiederverwendbar und wirtschaftlich zu machen.
Quelle: YouTube
Der Clip von Reaction Engines zeigt anschaulich, welche Rolle ein Precooler in einem luftatmenden Raketenantrieb spielt und wie stark die thermischen Lasten sind, die solche Systeme bewältigen müssen.

Quelle: cnc-mundinger.de
Ein 3D-gedrucktes Raketentriebwerk mit komplexen Kühlkanälen – ein Beispiel für die Präzision, die für Hyperschall-Precooler erforderlich ist.
Fakten & offene Fragen
Belegt ist, dass LEAP 71 und Farsoon einen 1,5 Meter hohen Hyperschall-Precooler als Konzept entwickelt und auf einem großformatigen Metall-LPBF-System vom Typ FS811M-U-8 gefertigt haben, wobei die Geometrie von Noyron generiert wurde. Mehrere unabhängige Fachmedien bestätigen Größe, Herstellungsverfahren und die Rolle der KI.
Ebenfalls gut belegt ist, dass Hyperschall-Precooler für kombinierte Triebwerke ein wesentlicher Baustein sind, um Luft als Oxidator bis in den Mach-5-Plus-Bereich zu nutzen, ohne dass das System thermisch versagt. Reaction Engines konnte in Bodentests nachweisen, dass ihr Precooler in Sekundenbruchteilen stark überhitzte Luft abkühlt, was die grundsätzliche Machbarkeit solcher Konzepte stützt.
Unklar bleibt, wie das neue Bauteil von LEAP 71 und Farsoon konkret performt, weil bislang keine öffentlich zugänglichen Daten zu Stoffströmen, Temperaturdifferenzen, Druckverlust, Masse oder Lebensdauer veröffentlicht wurden. Auch ist offen, ob bereits Experimente mit realistischen Heißgasströmen oder Kryokühlung durchgeführt wurden oder ob es sich bisher vor allem um eine fertigungstechnische Demonstration handelt.
Irreführend wäre es, das Konzeptbauteil als unmittelbar einsatzbereite Lösung für wiederverwendbare Raumflugzeuge zu verstehen. Forschung zu Materialien, Thermoschock, Oxidationsverhalten und Herstellbarkeit unter Serienbedingungen zeigt, dass Hyperschall-Systeme selbst mit optimierten Wärmetauschern noch eine Vielzahl offener technischen Hürden haben. Die Geschichte von SABRE und ähnlichen Projekten macht deutlich, wie groß die Kluft zwischen erfolgreichem Bodentest und einem zuverlässigen, wirtschaftlichen Flugbetrieb ist.
Auswirkungen & Fazit
Für dich als Entwickler:in oder technisch Interessierte:r zeigt dieses Projekt, wie stark sich der Designprozess verschiebt. Statt Geometrien Feature für Feature in CAD zu entwerfen, wird Wissen zunehmend als Code modelliert, während die Form eine Folge dieser Modelle ist. Wenn du in Zukunft in vergleichbaren Bereichen arbeiten willst, lohnt sich der Blick auf Themen wie multiphysikalische Simulation, generative Konstruktion, Software-Engineering für technische Systeme und die Grenzen der additiven Fertigung.
Für die additive Fertigung ist der Precooler ein sichtbares Beispiel dafür, dass große, funktionsintegrierte Metallbauteile in einem Stück herstellbar sind – mit feinen Kanälen, großen Oberflächen und zugleich struktureller Stabilität. Das kann auch andere Branchen beeinflussen: von Energietechnik über Chemieanlagen bis hin zu kompakten Wärmetauschern in der Prozessindustrie, wo ähnliche thermische Herausforderungen auftreten.
Für deine eigene Einordnung helfen ein paar einfache Checks: Wenn ein Projekt wie dieses vorgestellt wird, lohnt es sich, nicht nur die Pressemitteilungen, sondern auch wissenschaftliche Übersichtsarbeiten zu Hyperschall-Triebwerken und kompakten Wärmetauschern zu lesen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Probleme bereits gelöst sind und welche noch offen. Außerdem ist es sinnvoll, nach unabhängigen Testberichten und Langzeitstudien zu suchen, bevor du aus einem Technologiedemonstrator auf eine kurzfristige Anwendung in der Praxis schließt.
Quelle: YouTube
Das Video zu KI-designten Wärmetauschern bietet dir einen zusätzlichen Einblick, wie datengetriebene Methoden die Gestaltung solcher Komponenten verändern können und welche neuen Optimierungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.

Quelle: addmangroup.com
Die Vision: Wiederverwendbare Spaceplanes, die mit fortschrittlichen Technologien wie KI-gestütztem Metall-3D-Druck für Hyperschall-Precooler die Grenzen der Luft- und Raumfahrt neu definieren.
Offen ist, wie das neue Bauteil sich in realistischen Testkampagnen verhält: Es gibt bislang keine veröffentlichten Daten dazu, ob der Precooler bereits mit Heißluft- oder Heißgasströmen bei hyperschallähnlichen Temperaturen betrieben wurde und welche Temperatur- und Druckniveaus erreicht wurden. Ebenso fehlen Informationen zu Werkstoffwahl, Fertigungszeit, Nachbearbeitung und Prüfmethoden, die für eine vollständige Bewertung der industriellen Einsetzbarkeit wichtig wären.
Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass Fragen zur Lebensdauer unter Thermoschock, zum Langzeitverhalten in oxidierender Umgebung und zur Reparierbarkeit solcher komplexen 3D-gedruckten Wärmetauscher noch intensiv untersucht werden müssen. Auch auf Systemebene ist noch zu klären, wie sich solche Bauteile in ein komplettes Triebwerk und schließlich in ein Raumflugzeug integrieren lassen, das die hohen Anforderungen an Sicherheit, Kosten und Wartbarkeit erfüllt.
Das AI-designte Metallbauteil von LEAP 71 und Farsoon ist ein starkes Symbol dafür, wie sich Ingenieurarbeit verändert: Wissen wandert in Modelle, und mächtige 3D-Drucksysteme übersetzen diese Modelle direkt in hochkomplexe Hardware. Für Hyperschall- und Raumfahrtantriebe, aber auch für viele andere Hochtemperatur-Anwendungen, könnten so Wärmetauscher entstehen, die bisher schlicht nicht herstellbar waren.
Gleichzeitig bleibt der Schritt von einem beeindruckenden Konzeptbauteil zu einem robusten, zertifizierten und wirtschaftlich tragfähigen System groß – das zeigen andere Programme im gleichen Umfeld sehr deutlich. Wenn du das Thema verfolgst, lohnt es sich daher, sowohl die Begeisterung für neue Möglichkeiten als auch eine gesunde Portion technischer Skepsis mitzunehmen und genau hinzuschauen, welche Daten wirklich auf dem Tisch liegen und wo noch viele Fragezeichen stehen.