3D-Druck: Oberflächenbearbeitung – Anleitung aus der Werkstatt
Kennt ihr das? Das Teil ist funktional top, aber die Schichtlinien nerven. Matte Flächen, kleine Blobs an den Nähten, Support-Narben – im Licht sieht man alles. Wir stehen mit Kundenteilen regelmässig an genau diesem Punkt. Und ja: Das ist uns am Anfang auch passiert, dass wir zu grob geschliffen, den Füller zu dick gesprüht oder die Farbe zu schnell aufgebaut haben. Heute arbeiten wir mit einer klaren Reihenfolge, die in der Praxis zuverlässig ein sauberes Finish bringt.
Warum lohnt sich der Aufwand? Glatte Oberflächen erhöhen die wahrgenommene Qualität – ob für Prototypen beim KMU, Präsentationsmodelle für Schulen oder Props für Hobby-Maker. Und: Richtig vorbereitet halten Farben, Klarlacke und Beschichtungen länger. Die folgenden Schritte stammen aus unserer Werkstatt in der Schweiz und basieren auf gängigen Best Practices aus der Community.
Das Prinzip: Von grob nach fein – in dünnen Schichten
Wir arbeiten in Zyklen: Schleifen → prüfen → Füller/Spachtel → schleifen → prüfen → Farbe → Klarlack. Dünn auftragen, nichts überspringen. Internationale Guides empfehlen genau dieses Vorgehen mit progressiven Körnungen und Füller als „Nivellierschicht“ – das deckt sich mit unserer Erfahrung. (All3DP, MatterHackers, Prusa Blog, Fictiv)
Materialien & Tools (Checkliste)
- Schleifpapier: P120 → P220 → P320/400 → P600/800 (optional P1000–P2000 für Politur)
- Schleifklotz/Feinschleifschwamm, Wasser zum Nassschleifen, fusselfreie Tücher
- Feinspachtel/Glazing Putty (1K) oder Kfz-Spachtel (2K) für grössere Vertiefungen
- Füllerprimer („High-Build“), Haftvermittler bei kritischen Kunststoffen
- Acryl-Sprühfarbe oder Airbrush, Klarlack (matt/seidenmatt/glänzend)
- Halter/Spiesse zum Lackieren, Einweg-Becher, Rührstäbchen
Schritt 1: Rohteil vorbereiten
Supports sauber trennen (Seitenschneider, Skalpell), Fäden mit Heissluft kurz abziehen. Dann Problemzonen mit P120–P150 anbrechen. Auf Flächen nutzen wir immer einen Klotz – Finger schleifen gerne Mulden. Bei PETG Druck reduzieren: das Material neigt bei Reibung zum Schmieren. Nassschleifen hilft.

Quelle: 33d.ch
Starten wir mit P120–P150. Quer zur Layer-Richtung schleifen, damit Riefen nicht „eingefräst“ werden. Bei grossen Flächen unbedingt mit Klotz arbeiten.
Typische Start-Fehler (und wie wir sie vermeiden)
- Zu viel Druck: erzeugt Wärme, PLA/PETG schmieren → sanften Druck, Klotz, Wasser.
- Körnungen übersprungen: die groben Kratzer bleiben → jede Stufe nur so lange, bis alle Kratzer der vorherigen verschwunden sind.
- Füller zu früh: erst wenn die Oberfläche gleichmässig matt ist. Sonst spart ihr nichts.
Schritt 2: Spachteln & Füller richtig einsetzen
2.1 Feinspachtel lokal
Kleine Löcher/Spalte nur dünn füllen, leicht überhöht stehen lassen. Nach Aushärtung mit P320–P400 plan ziehen. Mehrere dünne Runden sind schneller als eine dicke.
2.2 Füllerprimer als Nivellierschicht
Füller wirkt wie „sprühbarer Spachtel“. Bei PLA funktioniert das super; bei PETG achten wir auf geeigneten Haftvermittler. Aus ca. 20–30 cm sprühen, dünn und kreuzweise. Nach Trocknung mit P400–P600 nass glätten. Zwei bis drei Zyklen reichen oft, bis Layerlinien praktisch weg sind. (Siehe MatterHackers, All3DP)

Quelle: 33d.ch
Dünn sprühen, trocknen lassen, nass anschleifen. Problemstellen markieren und gezielt nacharbeiten – spart Zeit.
Schritt 3: Lackaufbau – Haftung vor Optik
3.1 Primer → Farbe → Klarlack
- Primer (grau): letzte Haft- und Kontrollschicht. Zeigt Restfehler.
- Farbe: 2–3 dünne Gänge statt ein dicker. Bei Airbrush: mehrere feine Nebelgänge.
- Klarlack: matt/seidenmatt/glänzend – schützt und gibt Tiefe.
Bewährte Praxis in vielen Werkstätten und Guides – und auch bei uns Standard. (Fictiv, Prusa Blog)
3.2 Beispiel-Einstellungen (Anhaltspunkte)
- Zwischenschliffe: P400 → P600 (nass). Für Hochglanz später P1000–P2000 + Polierpaste.
- Sprühdistanzen: ±25 cm, zügige, überlappende Bahnen. Stop-&-Go vermeiden, sonst Nasen.
- Trocknungszeiten: Füller oberflächlich 20–60 min, durchgehärtet mehrere Stunden (Herstellerangaben beachten).
Fehlerbild → Ursache → Lösung (Tabelle)
| Fehlerbild | Wahrscheinliche Ursache | Was hilft in der Praxis |
|---|---|---|
| Orangenhaut | Zu dick gesprüht, zu nah, kalte Dose | Dünner sprühen, 20–30 cm Abstand, Dosen anwärmen (handwarm), Zwischenschliff P600 nass |
| Blasen/Fisheyes | Fett/Staub, Silikonreste | Gründlich entfetten (Isopropanol), staubfrei arbeiten, dünne Gänge |
| Schleifriefen sichtbar | Körnungen übersprungen | Zurück zur letzten Stufe, bis alle Kratzer weg sind; erst dann weiter |
| Abplatzende Farbe | Primer fehlt/ungeeignet | Haftvermittler/Primer nutzen, Untergrund P600 anschleifen, Reiniger prüfen |
| Schmieriger Schliff | PLA/PETG erwärmt sich | Nass schleifen, Druck reduzieren, kürzere Züge, frisches Papier |
Praxisbeispiel: Figur (20 cm) aus PLA, 0.16 mm Layer
- Vorbereitung: Supports entfernen, Fäden abnehmen. P150 auf Kanten/Riefen.
- Grobschliff: komplett P150 → P220, bis alles gleichmässig matt ist.
- Spachtel: Nähte/Poren dünn füllen, P320 planziehen.
- Füller-Zyklus: dünn sprühen → trocknen → P400–P600 nass. Zwei Runden.
- Primer (grau): Kontrollschliff P800 nass.
- Farbe: 3 dünne Durchgänge (z. B. Hautton, Kleidung per Airbrush, Details mit Pinsel).
- Klarlack: 2 Schichten (gewünschter Glanz). Optional Politur mit P2000+ und Paste.

Quelle: 33d.ch
Nach zwei Füllerzyklen und sauberen Zwischenschliffen wirkt die Figur „wie gegossen“, Details bleiben erhalten.
PLA vs. PETG – kleine Unterschiede, die viel bringen
- PLA: lässt sich sehr gut füllern und lackieren. Vorsicht bei Hitze beim Schleifen.
- PETG: zäher, kann Papier zusetzen, Haftung heikler. Wir rauen stärker an (P320) und nutzen gerne Haftvermittler vor dem Füller/Primer.
- Epoxy-Beschichtung: für extreme Glätte/Robustheit möglich; Aufwand höher. (Überblick bei Fictiv)
Einblicke aus unserer Werkstatt (33d.ch)
- „Markierstift-Check“: Wir nebeln nach dem ersten Füller dunkle Linien auf Problemzonen und schleifen dann gezielt nach. Spart Zeit.
- „Dünn gewinnt“: Dicke Schichten retten selten Zeit. Lieber drei dünne als eine dicke – weniger Nasen, weniger Schleifen.
- „Nass ist King“: Ab P400 schleifen wir fast nur nass. Die Oberfläche wird gleichmässiger und das Papier hält länger.
Kompakter Workflow (als Checkliste zum Abhaken)
- Rohteil säubern, Kanten/Supportnarben mit P120–P150 brechen
- Komplett P220 → P320/400, bis gleichmässig matt
- Lokal spachteln, P320/400 plan
- Füller dünn → P400/600 nass → ggf. wiederholen
- Primer grau → Kontrollschliff P800
- Farbe 2–3 dünne Schichten
- Klarlack nach Wunsch, optional Politur
Empfohlene Ressourcen (Backlinks)
- All3DP: PLA glätten – Methoden & Praxis
- MatterHackers: PLA schleifen, füllern, lackieren
- Prusa Blog: Post-Processing Schritt für Schritt
- Fictiv: Finishing-Überblick für FDM-Teile
Video-Tipps (YouTube)
- Empfohlenes Video: Perfect 3D Print Finishes – Sanding & Painting Tutorial
- Empfohlenes Video: Ultimate Guide to Smoothing & Finishing Your 3D Prints
- Empfohlenes Video: Finish & Paint your 3D Prints – Fill, Sand, Prime, Paint
Interne Link-Ideen (für eure Navigation)
- 3D-Druck Toleranzen verstehen
- Filament richtig lagern (PLA, PETG, Nylon)
- Slicer-Einstellungen für glatte Oberflächen
- Support entfernen ohne Spuren
- Airbrush-Grundlagen für 3D-Druckteile
Mini-Fazit
- Reihenfolge schlägt „Wunderprodukt“: Schleifen → Füller → Farbe → Klarlack.
- Dünne Schichten und Nassschliff liefern die konstantesten Resultate.
- PLA ist dank Füller/Primer unkompliziert, PETG braucht mehr Sorgfalt bei der Haftung.
- Markieren, prüfen, gezielt nacharbeiten – spart rund 20–30 % Zeit im Finish.
Hinweis: Einstellungen sind Beispiele – Drucker/Material unterscheiden sich. Erst an Testteilen ausprobieren.